Sechzehnter Tag:


 Gnesen - Posen - Grünberg - Forst - Spremberg (300 Km)

Nach einem frühen Erwachen durch das Gelärm vom Marktplatz herauf, mache ich noch eine kleine Runde zu Fuss durch das verschlafene Gnesen. Heute wird unser letzter Tag in Polen sein, denn wir nähern uns langsam wieder der Grenze. Ein absolutes Highlight allerdings wartet noch auf unseren Besuch. Die Stadt Posen (Poznan). Als ich ans Hotel zurückkomme, wecke ich meinen Kompagnon und beginne schon mal mein Motorrad zu bepacken. Der Morgen ist warm, das heutige Wetter wird sonnig werden. Nachdem wir gemeinsam noch einen Kaffee getrunken haben, begeben wir uns wieder auf die Landstrasse, die Nr. 5 (E 261), die uns von Gnesen die wenigen Kilometer in westlicher Richtung nach Posen führt. Wir durchfahren die Orte Lubowow (Libau), Pobiedziska (Pudewitz) und erreichen nach 57 Km die Stadtgrenze von Posen. Man merkt sofort, dass es sich bei dieser Stadt um eine Grossstadt handelt, typische Aussenbezirke umsäumen die Innenstadt, die man über mehrspurige Stadtstrassen erreicht. Sind die Vorstädte nicht eben einladend, ändert sich das Bild im Inneren der Stadt grundlegend. Die Altstadt ist eine Perle. Wir parken am Rand der Fussgängerzone am Marktplatz und betreten diesen gegen späten Vormittag. Um den Platz herum steht ein Café am Anderen. Die Ersten öffnen gerade, langsam scheint hier die Altstadt lebendig zu werden. Weil es noch so ruhig ist, packen wir die Gelegenheit beim Schopfe und genehmigen uns ein zweites Frühstück. Vor dem Café, das direkt gegenüber des herrlich anzuschauenden Rathauses liegt, sehen wir einige Künstler, die ihre Stände aufbauen, um hier Kunsthandwerkliches zu verkaufen. Gemächlich belebt sich der Platz.

Posen:

 Posen in Kürze:

Posen stand lange Zeit im Schatten von Gnesen, dies änderte sich erst, nachdem sich Polen mit Litauen vereinigt hatte und der Deutsche Orden vernichtend geschlagen war. Jetzt entwickelte sich die Stadt zu einem Knotenpunkt im Ost-West-Handel. Um eine frühslawische Burg des 8./9.Jahrhunderts entstanden, war Posen im 10.Jahrhundert Hauptsitz der polnischen Herzöge, seit 968 Bischofssitz und seit 1138 Sitz der Herzöge von Grosspolen. 1253 legten deutsche Kaufleute die Neustadt nach deutschem Recht an. 1394 erwarb Posen das Stapelrecht, im 16.Jahrhundert erlebte es eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte. 1793 kam Posen an Preussen, 1815 wurde es Hauptstadt des Grossherzogtums (Provinz) sowie Sitz des Erzbistums Posen-Gnesen. 1848 war hier das Zentrum der polnischen Nationalbewegung in Preussen. Durch den am 27.12. 1918 ausgebrochenen Aufstand fiel die Stadt an Polen, polnische Freischärler besetzten die Stadt und die Deutschen wurden zur Abwanderung genötigt. Im Zweiten Weltkrieg (1939 - 45) kam Posen erneut unter deutsche Besatzung (Hauptort des Reichsgaues Wartheland), nach 1945 wieder zu Polen. Der Posener Aufstand (Juni 1956) führte im Oktober 1956 zu einer Umbesetzung der Partei- und Staatsführung in Polen. Die Stadt ist Hauptstadt der Woiwodschaft Grosspolen. Im polnischen Leben sind die Posener die 'Deutschesten', sie sind arrogant, fleissig, pflichtbewusst und humorlos - so lautet jedenfalls die Beschreibung aus Sicht eines Warschauers. Man nennt sie auch etwas despektierlich 'Kartoffelfresser'. Den preussischen Untertanengeist haben sie allerdings nie übernommen. Nach dem zweiten Weltkrieg setzte eine starke Zuwanderungswelle ein, die diese Besonderheiten relativierte. Heute hat die Stadt mit ihren 580.000 Einwohnern die höchste Kfz-Dichte und die höchsten Ersparnisse pro Kopf in Polen. Man findet hier einen katholischen Erzbischofssitz, eine Universität, mehrere Akademien, ein Polytechnikum u.a. Hochschulen, Institute der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Westinstitut (für deutsch-polnische Beziehungen), Nationalmuseum, archäologisches Museum, Theater, Philharmonie (mit berühmtem Knaben- und Männerchor) und den botanischen und zoologischen Garten. Wirtschaftlich dominieren Metallverarbeitung, Maschinen- und Transportmittelbau, elektrotechnische, Bekleidungs- und Lebensmittelindustrie sowie internationale Messen. Neben dem wichtigen Verkehrsknotenpunkt im Ost-West-Verkehr verfügt Posen auch über einen Flughafen.
Ein Rundgang durch die Altstadt fördert Einiges an Besichtigenswertem zu Tage. Man sollte auf dem Rathausplatz, Stary Rynek, beginnen. Hier steht das alte Rathaus mit den mehrstöckigen, arkadenförmigen Rundbögen an der Portalseite aus der Renaissancezeit. Es beherbergt das Historische Museum. Umgeben wird es von einem rechteckigen Marktplatz mit prächtigen Bürgerhäusern. Kleine Kaufläden aus dem 15. Jh. sind zu besichtigen sowie die Hauptwache und der Dzialynski-Palast. Eine schmucke Kirche ist die barocke Pfarrkirche, die nach Plänen aus Rom gebaut wurde. Desweiteren findet man im Zentrum viele Gebäude aus dem 19. und frühen 20. Jh., die Raczynski-Bibliothek, das Grosse Theater und weitere Kirchen. Ein Besuch wert ist auch die Dominsel mit der Peter-und-Paul-Kathedrale. Sie liegt zwischen den Flüssen Warthe und Cybina.



Der Marktplatz....

....umgeben von prächtigen....

....Fassaden.....

....und Strässchen

Im Inneren der barocken Pfarrkirche

Das Rathaus mit den Arkaden
Nach einem ausgiebigen Rundgang durch das beeindruckende Posen, setzen wir unsere Reise fort. Im Gegensatz zum Baltikum sind polnische Grossstädte intelligent beschildert und wir finden daher schnell auf die Strasse Nr. 32 (E 261) in südwestlicher Richtung und aus der Stadt hinaus. Nun beginnt ein wahres Verkehrschaos. Wir kommen nur schrittweise voran, die 'Hauptstrasse' ist so schmal, das Überholen aufgrund der entgegenkommenden LKW lebensgefährlich ist. Wir machen's trotzdem, sonst ist an ein Vorwärtskommen nicht zu denken. Der gesamte Transitverkehr in die Industrieregionen Südpolens und in den Westen scheint hier durchzufahren. Hinter Steszew, das am Rande des Nationalparks Grosspolen liegt, biegen die Meisten in den Süden ab, während wir auf der Nr. 32 weiter Richtung Westen fahren. Der Verkehr wird nun schlagartig ruhig und wir können wieder in gewohnter Weise die Landschaft geniessen. Um uns herum findet sich leicht hügeliges Gelände, vorwiegend Wiesen, ab und zu ein kleines Wäldchen, die Oder, die hier noch nicht Grenzfluss ist, überqueren wir vor Wolsztyn. Bei Wollstein (Wolsztyn) liegt im Wald neben der Strasse ein Gasthaus mit einem schattigen Plätzchen. Da wir hungrig und durstig sind, nehmen wir diese Möglichkeit, etwas zu uns zu nehmen, gerne an.

Polnischer Widerstand gegen die Preussen

Dampflok im regulären Personenverkehr
Gegenüber unseres Tisches sehen wir einen unscheinbaren Bauwagen stehen, dem allerdings eine beschriftete Tafel beigestellt ist. Bei näherem Hinblicken wird hier auf deutsch und auf polnisch die Geschichte eines wackeren Polen erzählt, der zu Beginn des 20. Jh., als es den Polen im deutschen Kaiserreich verboten war, Grundbesitz zu erlangen, hier seine Bleibe in einem alten Eisenbahnwagen eröffnete. Als die Preussen davon Wind bekamen, wollten sie ihn davonjagen, er hatte aber zwischenzeitlich wegen seines tapferen Verhaltens eine Reihe von Freunden, auch bei der Presse, sodass sich ein Sturm der Entrüstung ob der staatlichen Willkür entwickelte, man Spendenaktionen ins Leben rief und der preussische Staat so gezwungen war, den tapferen Polen in seinem Wagon zu belassen. Unter Hitler wurde das Denkmal, da polnisch, kurzerhand weggeräumt, nach dem zweiten Weltkrieg von den Polen jedoch wieder aufgestellt. Wie gesagt, wir sind nur kurz mal von der Hauptstrasse abgebogen und durch Zufall auf diese tragisch-komische Geschichte gestossen. Als wir weiterfahren, sehen wir inmitten grüner, weiter Felder wiederum ein Kuriosum für westliche Augen: Ein Personenzug der polnischen Bahnen mit einer zischenden Dampflok vorneweg. Vor Grünberg (Zielona Gora) baut sich im Westen ein Gewitter auf und wir beschliessen, in der Stadt nur kurz zu tanken, um dann rasch weiterzukommen. Als wir an der Tankstelle stehen, beginnt es mit schweren Tropfen zu regnen. Da wir nicht so recht wissen, wie wir Richtung Grenze kommen, fragen wir an der Kasse der Tankstelle, um festzustellen, dass man hier weder englisch noch deutsch spricht. Ein junges polnische Pärchen bekommt dies mit, spricht uns auf englisch an und entbietet uns ihren Lotsendienst. Dankbar nehmen wir an. So fahren sie im Regen voraus, wir folgen bis zur Stadtgrenze, wo sie sich verabschieden. Auf kleinen und einsamen Waldsträsschen geht es weiter Richtung Staatsgrenze. Was uns auffällt, sind die in Grenznähe verfallenen Häuser und Dörfer, die am Wegesrand stehen und die wir durchfahren. Sie scheinen aber bewohnt zu sein.
Bei Forst kommen wir nach einem kurzen Autobahnstück an die Grenze und nehmen Abschied von Polen.
In der BRD sind die Strassen um Klassen besser, das ganze Land strahlt einen ungeheuren Wohlstand aus, obwohl wir uns angeblich in einer Problemregion befinden. Wir fahren auf der A 15 bis Cottbus und dann auf der B 97 südlich Richtung Hoyerswerda. Nachdem es nun dunkel wird, biegen wir direkt an der Talsperre Spremberg von der Bundessstrasse ab und finden direkt am See ein Quartier für die Nacht. Der Abend ist noch leicht verregnet, über Norddeutschland ziehen in dieser Nacht schwere Gewitter.


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